Bericht zum ALR – Seminar mit der Landsiedlung zu Produktionsintegrierter Kompensation

Am 18. und 19. November hielt die Landsiedlung in Zusammenarbeit mit der Akademie Ländlicher Raum und der Flächenagentur Baden-Württemberg ein Seminar zur Umsetzung Produktionsintegrierter Kompensationsmaßnahmen ab. Die Veranstaltungen in Karlsruhe und Biberach waren sehr gut besucht, was das Interesse an gangbaren Wegen zur landwirtschaftliche verträglichen Kompensationspraxis unterstreicht.

(hvk) Beim naturschutzbezogenen Ausgleich von Baumaßnahmen gibt es Bewegung: Gemäß einer neuen Kompensationsmethode wird es künftig möglich, dass Ausgleichsgrundstücke nur noch zwei bis fünf Jahre aus der landwirtschaftlichen Produktion herausfallen müssen, aber nicht mehr „für ewig.“ 

Die neue PiK-Methode (Produktionsintegrierte Kompensation) wurde im Karlsruher Landratsamt unter der Moderation der LEL und gemeinsam mit der Flächenagentur BW und der Landsiedlung vorgestellt.

Größere öffentliche und private Baumaßnahmen hatten für die Landwirtschaft bisher regelmäßig einen zweifachen Flächenverlust zur Folge: Zusätzlich zum Verlust durch die Baumaßnahme musste in der Nähe auch ein Ausgleichsterrain zum Wohle des Naturhaushaltes bereit gestellt werden. Das führte zu zusätzlicher Flächenknappheit und auch zur weiteren Befeuerung der Bodenpreise. Deshalb behalf man sich ab 2011 damit, dass Baumaßnahmen durch Renaturierungen ausgeglichen wurden, die weiter entfernt von der  eigentlichen Baustelle (dem Eingriffsort) liegen durften und nicht einmal mehr in der selben Gemeinde. Die Ökoverordnung diente als Werkzeug für standartisierte Naturzustands-Vergleiche. Mehr noch: Das Ökopunktesystem machte es möglich, dass Flächen mit Naturschutzaufwertungen „auf Vorrat“ angelegt werden konnten, lang bevor die Bagger bei der  Baustelle anrückten. Ab 2011 begann die Flächenagentur mit ihrer Vermittlung zwischen künftigen Bauherren und naturschutzbezogenen Flächenbewirtschaftern. Sie organisierte gleichzeitig auch den Zahlungsverkehr mit den Ökopunkten. Bisher ungelöst war das Problem der Laufzeit.  Bei Vertretern des Naturschutzes gibt es die Forderung, dass der Ausgleich ebenso lang zu währen hat wie das fertige Baugebiet/Straße/Bahnlinie. Weil das in der Realität nicht möglich ist, soll laut Bundesnaturschutzgesetz der Ausgleich nur über einen „erforderlichen Zeitraum“ währen. –Der aber ist in den Bundesländern unterschiedlich. In Baden-Württemberg ist er noch unbestimmt, aber umfasst meist 25 Jahre (in Hessen 30). Trotzdem handelt es sich überall um Zeiträume, die quasi generationenübergreifend und somit kaum praktikabel und kalkulierbar sind.

In dem Ansatz mit PiK  wird der unabsehbar lange Kompensationszeitraum in kürzere und planbare Abschnitte zerhackt. Jedem neuen Zeitabschnitt wird gleichzeitig auch eine neue Ausgleichsfläche zu geteilt, auf der dann eine kurzfristig realisierbare Ökomaßnahme stattfindet. Die Flächen sollten nah beieinander liegen. Die Maßnahmen müssen mehr Ökologie bieten als der Ökologische Landbau. Trotzdem sollten sie noch in einem landwirtschaftlichen Betriebszweig integriert sein. Schließlich kann bei PiK-Flächen auch der landwirtschaftliche Zahlungsanspruch erhalten bleiben, wenn es zu verwertbaren Ernten kommt. Die  extensivierte Fläche darf nach Beendigung der Maßnahme in der Regel wieder in eine intensive Bewirtschaftung überführt werden. Bei PiK spricht man deshalb auch von der Realisierung eines Rotationsprinzips. Dazu gehört allerdings auch die Festlegung eines sogenannten `Ankergrundstücks´, mit  dinglichen Sicherungen in Form von Dienstbarkeiten und Reallasten im Grundbuch. Sie erfolgen zu Gunsten des Eingriffsverursachers (Bauherrn), damit dieser im Zweifelsfall die naturschutzbezogene Bewirtschaftung durchsetzen kann. Manuel Sedlack, Geschäftsführer der Flächenagentur Baden-Württemberg schätzt, dass in der Praxis das Ankergrundstück meist im Eigentum einer Gemeinde sein wird. Entsprechend dem Zusammenspiel aus Rotation und Fruchtfolge mit benachbarten Flächen in bäuerlichem Eigentum wird auch auf einem Ankergrundstück die Überführung in die intensive Bewirtschaftung (durch den Pächter) wieder möglich sein. Es sollte aber groß genug sein, dass die angestrebte ökologische Aufwertung als Kompensation auch dann fortgesetzt werden kann, wenn die anderen Flächen ausfallen. Im Normalfall übernimmt die Flächenagentur zusammen mit der finanzierenden Gemeinde das Rotations-Management mitsamt den notwendigen Bewirtschaftungsverträgen. Der Naturschutzbehörde obliegt die Aufsicht. Laut Sedlack wird viel Verwaltungs- und Bewertungsaufwand notwendig. Andererseits ist er sich sicher, dass auch der Dialog zwischen den Vertretern des Naturschutzes und den Landwirten intensiver werden wird, was zum besseren gegenseitigen Verständnis beitrage.

Für die Landwirte, die an PiK teilnehmen wollen stellte Richard Mössner von der Landsiedlung BW verschiedene naturschutzbezogene Anbaumaßnahmen mit zwei- bis fünfjähriger Laufzeit vor, die letztlich vom Verursacher (Bauherrn) zu finanzieren sind. Immer geht es um den Vergleich des ökologischen Wertes einer Fläche am Anfang und am Ende einer Maßnahme und um die erzielte Differenz  in Form von Ökopunkten. Die Kombination mit FAKT-Maßnahmen (Greening) ist nicht möglich. In seinen Wirtschaftlichkeitsberechnungen, die über Anbauversuche ermittelt wurden kam Mössner dennoch auf attraktivere Ergebnisse, als sie im konventionellen Ackerbau erzielbar gewesen wären. In keinem der Beispielverfahren wird chemischer Pflanzenschutz verwendet, dazu entfällt die Düngung fast überall. Zu den Beispielen zählte der `teilflächige Ernteverzicht´ im Umfang von 50 Prozent ebenso wie auch der `Acker-Wildkrautschutz´ (Ertragseinbuße 80 %);   weitere Vorschläge sind:  Verdoppelter Säreihenabstand (Ertragseinbuße 55 %).  Andere Verfahren sehen den Acker-Wildkräuterschutz vor (Ertragseinbuße 80%) oder die Reduktion des Striegeleinsatzes (Ertragseinbuße 40 %). Weil in allen Verfahren noch eine Ernte erwartet werden kann, bleibt die Flächenprämie erhalten. Der rechnerische Ansatz für die bäuerlichen Entschädigungsansprüche setzt sich laut Richard Mössner aus folgenden Hauptkomponenten zusammen:  

  • A) Kosten der praktischen Verfahrensumsetzung;   
  •  B)Opportunitätskosten; 
  •  C) Folgekosten;            

Zu A) Zu den Kosten der Umsetzung gehören neben der Bodenbearbeitung und der Saat auch Bewirtschaftungserschwernisse wie Kleinteiligkeit, schwierige Ernte etc. , aber auch der Zeitaufwand für Gespräche, Dokumentation und Planung. 

Zu B) die Opportunitätskosten beziehen sich auf den Verlust durch die entgangenen Deckungsbeiträge und auf den Verlust von schwer ersetzbaren Rohstoffen wie Stroh, Heu, Biogassilage etc. ( die bei einer Intensivnutzung angefallen wären).

Zu C) Zu den Folgekosten zählte Mössner den erhöhten Aufwand für die Unkrautbekämpfung in der Folgefrucht (nach Beendigung der Extensivierungsmaßnahme), ebenso auch ein erhöhtes Ertragsrisiko. Bei überjährigen Naturschutzmaßnahmen zählte er auch ein Ausfallrisiko von Zahlungsansprüchen hinzu, bzw. deren notwendiger Neuerwerb.

Das Verfahren `Acker-Wildkrautschutz´ mit  kalkulierter Ertragseinbuße von 80 Prozent ergab laut Mössner einen Deckungsbeitrag von minus 380 Euro/ha. Zusätzlich zu dessen Ausgleich mussten noch die Opportunitätskosten (kalkulierter Nutzungsverlust) in Höhe von 676 Euro und eine zusätzliche Organisationspauschale von 50 Euro hinzugerechnet werden. Insgesamt beträgt für dieses Verfahren der landwirtschaftliche Entgeltanspruch 1132 Euro /ha netto gegenüber der Gemeinde als Maßnahmenträger.  Hinzu kommt die Flächenprämie von 257 Euro/ha. Beim Verfahren der `erweiterten Saatreihe´ liegt der entsprechende Nettobetrag bei 716 Euro/ha, beim `teilflächigen Ernteverzicht´ können Nettoforderungen von 497Euro/ha geltend gemacht werden. Beispielhaft ist hier erkennbar, wie wichtig die detailgenaue Vorabinformation ist: Der `teilflächige Ernteverzicht´ darf nur mit einer Verlängerung der Stoppelphase verwirklicht werden, die bis mindestens Februar reicht und dann auch eine Zwischenbegrünung auf der Stoppel erfordert. Mössner selbst hatte nur den Teilernteverzicht in der Kalkulation beachtet. Für Januar 2020 kündigte er die Veröffentlichung eines PiK-Leitfadens über Rotationsmanagement und Kompensation an, der dann auf der Homepage von LEL, Landsiedlung oder Flächenagentur heruntergeladen werden kann und mit Ökopunktstandarts und  vervollständigten Kalkulationsbeispielen versehen sein wird.

Bei den Kompensationsverhandlungen der Landwirte mit der Kommune können die angestrebten ÖP eine Richtschnur sein. Da der Preis pro Ökopunkt aber nach Angebot und Nachfrage  schwankt, (meist zwischen 0,50 Euro und 1,10 Euro/ÖP) sind zusätzliche Vertragsvereinbarungen sinnvoll.   Nach Auskunft von Manuel  Sedlack wird in Baden-Württemberg über die endgültige Kompensationsdauer von Baumaßnahmen erst im Rahmen einer Kompensationsverordnung entschieden.  Die aber wird laut Sedlack in dieser Legislaturperiode nicht mehr kommen. Das PiK-Rotationsverfahren kann somit auch als gangbare Zwischenlösung betrachtet werden.                   

Autor: Heinrich von Kobylinski.  Dieser Artikel erschien zuerst in der Badischen Bauernzeitung, Ausgabe 49 vom 07.12.2019. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.